Geschichtsunterricht zum Anfassen

Wir hatten unseren Plan, in den Grampians Nationalpark zu fahren, ja noch nicht ganz aufgegeben und haben uns deshalb nochmal in einer Touristeninfo beraten lassen. Aber erstens waren die gesperrten Straßen, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon wieder geöffnet sein sollten, immer noch gesperrt, und zweitens gab die freundliche Dame zu bedenken, dass wir aufgrund des starken Rauchs keine gute Sicht im Park hätten. Sicht hin oder her, alleine die Vorstellung, von stinkendem schwarzem Qualm umgeben zu sein, hat mich das Thema Grampians endgültig abhaken lassen. Jetzt werden wir stattdessen auf dem sogenannten „Heritage Drive“ über die Städte Ballarat und Bendigo zurück nach Sydney fahren, der an einigen historisch und kulturell bedeutsamen Orten vorbeiführt. Dabei bekommen wir hoffentlich auch mal etwas von den Aborigines mit. Ich finde die Ureinwohner Australiens nämlich sehr interessant, hatte aber bisher noch keine Gelegenheit, in näheren Kontakt zu treten. Seltsamerweise war es in Neuseeland genau umgekehrt: An jeder Ecke gab es kulturelle Zentren und Folkloredarbietungen der Maori, aber die haben uns zu wenig interessiert, als dass es uns den Eintritt wert gewesen wäre. Vielleicht weil die Maori aus Polynesien stammen und Ähnlichkeiten mit der ursprünglichen Kultur Fijis aufweisen, die wir zuvor schon zwei Wochen lang mitbekommen haben. Im Grampians hätte es übrigens auch ein Aborigine-Zentrum gegeben…
Jetzt sind wir also auf dem Geschichtstrip. Eröffnet haben wir das Ganze schon vorgestern mit dem Besuch von Flagstaff Hill, einer nachgebauten Hafenstadt des 19. Jahrhunderts in Warrnambool. Dabei haben wir auch jede Menge über die „Shipwreck Coast“, einem Teil der Great Ocean Road, erfahren. Die heißt genau deshalb so – hunderte von Schiffen sind vor dieser Küste gesunken, ihre Wracks liegen bis heute dort, wenn auch zahllose Hobbytaucher mittlerweile alle verfügbaren Gegenstände weggeschafft haben dürften. Man muss sich das mal vorstellen: Die Menschen, oft europäische Auswanderer, waren drei, vier Monate auf See, um in Australien ein neues Leben zu beginnen, und verunglücken dann mit dem rettenden Festland in Sichtweite. Geht es noch tragischer?
Heute haben wir dann gleich in Ballarat weitergemacht,  wo es auch ein Freilichtmuseum gibt, nämlich Sovereign Hill. Diesmal war es aber keine Hafenstadt, sondern eine Goldgräberstadt. Ballarat und Bendigo sind nämlich im Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts groß geworden. Das Besondere an Sovereign Hill ist, dass nicht nur die Gebäude nachgebaut wurden, sondern auch Schauspieler in den entsprechenden Kostümen die Stadt „bewohnen“. Wir konnten also z.B. dem Schmied, dem Zuckerbäcker und der Kerzenmacherin bei ihrer Arbeit zuschauen. Ich habe mich auch kurz als Goldwäscherin versucht, allerdings ohne Erfolg, denn meine einzige Ausbeute waren nasse Schuhe, weil ich mir das Wasser aus der Goldwaschpfanne drübergekippt hab. 😉 Im benachbarten Goldmuseum musste ich später aber feststellen, dass ein wenig mehr Anstrengung vielleicht nicht geschadet hätte, denn in der Gegend um Ballarat werden bis heute noch Goldnuggets gefunden. Da buddeln Freizeitsucher mit Metalldetektoren schon mal eben kiloschwere Nuggets aus! Unglaublich, dass es das heutzutage noch gibt.
Grundsätzlich ist das Thema australische Geschichte sehr interessant, denn es gibt eigentlich fast keine! Australien ist eine sehr junge Nation, deren Einwohner sich erst seit wenigen Generationen als Australier fühlen (damit meine ich jetzt die Nicht-Aborigines). Noch vor etwa 150 Jahren, zur Zeit des Goldrauschs, als viele Einwanderer in das Land strömten, gab es hauptsächlich Europäer und Asiaten in Australien – aber kein eigenes australisches Volk. Die heutigen Australier sind alle Nachfahren dieser Einwanderer und sehen sich oft noch als ein wenig britisch, irisch, deutsch oder was auch immer an. Das steht natürlich in starkem Gegensatz zur jahrtausendealten europäischen Geschichte mit soundsovielen Völkerwanderungen, alten Adelsgeschlechtern, bedeutsamen Schlachten, imposanten Bauwerken und und und. Wie gesagt, sehr interessant, mal einen Einblick in eine ganz andere Art von Geschichte zu bekommen. Am 26.01. ist übrigens Australia Day, der Nationalfeiertag Australiens. Da ziehen sich alle Australien-Tshirts an, trinken Bier aus Australien-Bechern und schwenken Australien-Flaggen. Stellt euch das mal bei uns am Tag der Deutschen Einheit vor…

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