Canberra

Vermutlich hat jeder von euch irgendwann mal gelernt, dass Canberra die Hauptstadt Australiens ist – und es dann schnell wieder vergessen. Ich gebe zu, mir ging’s genauso, ich hätte vor der Reise auch gesagt, dass Sydney die Hauptstadt ist. Aber genau das ist eigentlich die einzige Daseinsberechtigung Canberras: dafür zu sorgen, dass Sydney eben nicht die Hauptstadt ist. Denn Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die Australier genug von dem ewigen Streit zwischen Sydney und Melbourne um den Titel „Hauptstadt“, also wurde kurzerhand beschlossen, eine neue Stadt extra dafür zu bauen, die genau auf der Linie zwischen den beiden Rivalen liegt. Ursprünglich für 25000 Einwohner konzipiert hat Canberra heute etwa 350000 Einwohner, was immer noch nicht einmal einem Zehntel der Einwohnerzahlen von Sydney und Melbourne entspricht. Aber Hauptstadt ist Hauptstadt.
Wir hatten daher nicht allzuviel erwartet von der „künstlichen Stadt“, wie sie wenig charmant von meinem Reiseführer betitelt wird. Und zu Beginn unseres Besuchs standen auch erst einmal Sich-Verfahren (aufgrund der unübersichtlichen Straßenführung), Im-Kreis-Fahren (aufgrund des Sich-Verfahrens) und Verzweifelt-Parkplatz-Suchen (aufgrund der schlechten Passung eines 2,7 Meter hohen Campers mit auf 2 Meter Höhe begrenzten Parkhäusern). Als wir das alles hinter uns gebracht hatten, wurde es aber doch noch ein schöner Tag. 🙂 Wir haben das Parliament House besichtigt, in der die australische Legislative (bestehend aus Senat und Abgeordnetenhaus) tagt. Neben den Sitzungssälen, die bei unserem Besuch aber alle leer waren, kann man dort auch etwas kuriosere Dinge besichtigen, z.B. einen Schreibtisch von Queen Victoria und ein Originalexemplar der Magna Carta aus dem 13. Jahrhundert. Und vom Dach aus hat man einen schönen Rundumblick auf die Stadt – vorausgesetzt, man findet den einzigen unter zig Liften in dem Gebäude, der bis dorthin fährt… Am Eingang des Parliament House gibt es übrigens Kontrollen mit Scanner, ähnlich wie im Berliner Reichstag. Ich hatte mir vorher ehrlich gesagt keine Gedanken darüber gemacht, wie bedeutend dieses Gebäude tatsächlich ist, das ich da betreten wollte. Als ich dann mit vom vorherigen Eincremen fettglänzendem Gesicht, kurzer Hose, Trekkingsandalen und bereits seit mehreren Tagen getragenem Top (an das ich mir, wie ich erst danach feststellte, auch noch Sonnencreme geschmiert hatte) vor fünf Wachmännern in Uniform mit blütenweißen Hemden und Krawatte stand, wäre ich am liebsten im Boden versunken! Mit einem tapferen Lächeln hab ich es aber doch ins Innere des Parliament House geschafft. 😉 Beim Lesen der ganzen Infotafeln zum Aufbau des Senats, dem Ablauf der Sitzungen etc. fühlten wir uns sehr an eine mündliche Englischschulaufgabe erinnert (ich glaube, es war in der 10. Klasse), bei der man eine fiktive Rede vor dem amerikanischen Senat halten musste. Die Eingangsfloskel war dabei immer „Dear Mr President, Mr Chairman, and the Honourable Members of the House!“ Tja, sowas brennt sich ins Gedächtnis ein, aber dass Canberra die Hauptstadt Australiens ist und nicht Sydney…
Anderes Thema: Da wir uns ja vor Reisebeginn kein Visum für Kambodscha beschaffen konnten, weil es ab Ausstellung nur drei Monate gültig ist, hatte ich schon vor einer Weile nach Botschaften gesucht, die wir unterwegs besuchen könnten. In Neuseeland gab es keine, in Australien sitzt die einzige kambodschanische Botschaft in Canberra. Da wir nun schon mal da waren, wollten wir unser Glück versuchen und sind nach der Besichtigung des Parliament House zu der Botschaft hingefahren. Das ist der Vorteil am Camper: Man hat immer alle seine Sachen dabei. Wir hätten sonst vermutlich nicht daran gedacht, unsere Pässe und Passfotos mitzunehmen. Und tatsächlich haben wir dort unser Visum bekommen. Da wir leider nicht die vier Tage Zeit für ein Standardvisum hatten, musste es ein Expressvisum sein. Den Botschafter dürfte es gefreut haben, der konnte dadurch mal eben die doppelte Visumsgebühr einstreichen. Aber immerhin ist jetzt auch diese lästige Angelegenheit geklärt und wir sind freier in unserer Routenplanung, da wir nicht zwingend über einen Grenzübergang, der Visa on arrival ausgibt, einreisen müssen (Anzahl solcher Grenzübergänge beim letzten Nachschauen: exakt einer!). Und weil wir gerade so schön dabei waren, (über)fällige Dinge zu erledigen, hat Flo sich auch gleich noch eine neue Reiselektüre besorgt und einen canberrianischen Frisörsalon besichtigt. Jetzt passt ihm auch sein Hut wieder besser. 😉 Insgesamt also ein sehr erfolgreicher Tag.
Jetzt haben wir noch fünf Tage mit Camper. Auch wenn es oft ziemlich beschwerlich war (nicht zuletzt weil unser Supersparmodell schon halb auseinanderfällt und die Fahrt nur dank vieler Streifen Klebeband und improvisierter Konstruktionen möglich war), ist mir unser Camper doch irgendwie ans Herz gewachsen und der Abschied wird mir nicht leicht fallen.
Wegen Bangkok haben wir unser Reisebüro in München kontaktiert. Es ist wie verhext: Alle unsere Flüge sind umbuchbar – bis auf den einen von Siem Reap nach Bangkok, der ist fest. Wir müssten also entweder den Weiterflug von Bangkok nach München vorziehen, wobei wir immer noch eine Nacht in Bangkok hätten, weil es nicht anders geht, oder den Flug Siem Reap – Bangkok zum vollen Preis stornieren und einen anderen buchen. Weil uns beides nicht gefällt, haben wir jetzt beschlossen, unseren Aufenthalt in Bangkok doch wie geplant zu lassen, uns am Flughafen ein schönes Hotel zu suchen und einfach die ganze Zeit dort zu bleiben. Für den Betrag, den wir für die Umbuchung des Weiterflugs zahlen müssten (ganz zu schweigen von dem für einen komplett neuen Flug), können wir uns ein mehr als ordentliches Hotel leisten. Ein schöner Swimming Pool, eine kleine Wellnesslandschaft, ein nettes Restaurant – wer würde da noch auf Stadtbesichtigungstour gehen wollen? 😉 Und wenn sich die Lage doch wieder entspannen sollte, können wir ja immer noch einen kleinen Ausflug machen.

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